Was können wir aus den Fehlern der vergangenen 30 Jahren lernen? Für sein Buch „Die neue Weltunordnung“ hat der Autor und Experte für Terrorismus und Geopolitik, Prof. Dr. Peter Neumann die aktuelle Lage des Westens analysiert. Im Kurhaus Bad Hamm stellte er nun auf Einladung des Hammer CDU-Kreisvorsitzenden Arnd Hilwig den rund 130 interessierten Gästen seine Erkenntnisse vor.
Mit Naivität, Ignoranz und Arroganz seien die Pläne und Bemühungen des Westens, Demokratie exportieren zu wollen, gescheitert. „Wir müssen akzeptieren, dass nicht alle Gesellschaften so denken oder sein wollen wie wir“, sagte Neumann. Wandel durch Handel – etwa mit China – habe nicht dazu geführt, dass sich in China eine freiheitliche Grundordnung etabliere. Vielmehr habe sich die Abhängigkeit des Westens von China dramatisch vergrößert. So hält der Professor an der King’s College London auch nicht Russland für die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts, sondern den enormen Aufstieg Chinas. Mit unglaublicher Wirtschaftskraft habe sich der Überwachungsstaat Rohstoffe in Afrika und Asien gesichert, während sich der Westen immer mehr zurückgezogen habe.
Als große Bedrohung für die Demokratie bezeichnet der Wissenschaftler die Spaltung der Gesellschaft als Ziel der Rechts- und Linkspopulisten. Populisten wie Donald Trump verfolgten dieses Ziel, weil sie die Nutznießer einer inneren Instabilität seien.
Neumann empfiehlt der deutschen Politikerelite, ehrlicher und erwachsener zu werden. Dazu gehöre, nicht nur die westlichen Werte, sondern auch die westlichen Interessen deutlich zu benennen. Für das Ausland sei es normal, dass ein Staat seine Interessen verfolge und nicht nur für seine Werte eintrete, wie dies von der deutschen Außenministerin zu vernehmen sei.
Insgesamt müsse sich der Westen einiger sein. „Europa und Amerika ist gemeinsam gerade groß genug, um von China ernst genommen zu werden. Beide müssen mit einer Stimme sprechen“, fordert Neumann.
Der Referent sieht für die Demokratie aber auch Chancen: So sei der Westen das einzige System, das aus Fehlern lernen könne. Autokratien würden über Fehler lieber nicht reden. Fortschritt durch Reflektion fände hier kaum statt.
Die aktuell in China protestierenden jungen Menschen hält Neumann für unglaublich mutig, im Hinblick auf einen möglichen Machtwechsel allerdings für wenig erfolgversprechend. „Ein Machtwechsel ist nur möglich, wenn Armee, Polizei oder Geheimdienst auf die Seite der Demonstranten wechselt“, sagt Neumann, „und das halte ich für sehr unwahrscheinlich.“
Anders sei die Situation im Iran, wo nicht nur junge Menschen, sondern auch Minderheiten gegen das verhasste Mullah-Regime auf die Straße gingen. Neumann empfiehlt, dass der Westen die protestierenden Menschen ermutigen solle.
Zum Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine erklärte Neumann, dass die Ukraine von ihrem Territorium so viel wie möglich zurückgewinnen sollte, was Russland von weiteren Angriffen auf den Westen abhalten dürfte. Zugleich sei es im Interesse des Westens, dass es nicht zu einem Zerfall Russlands komme. Erst wenn ein schmerzhaftes Patt vorhanden sei, sieht Neumann eine Chance für Verhandlungen. „Wir müssen uns wohl auf einen längeren Konflikt einstellen“, sagte Neumann.
„Es ist nicht möglich, aus jeder Autokratie eine Demokratie zu machen“, zog Neumann ein Fazit seines Buchs und seines Vortrags. Deshalb sollte der Westen darauf verzichten, in Länder – wie Afghanistan – zu gehen, die er nicht hinreichend kennt. Veränderungen müssten stets aus der Gesellschaft selbst kommen.